Seit ich in Schweden bin, oder besser gesagt, seit ich denken kann, habe ich davon geträumt, in den Norden zu fahren, die unberührte Natur bestaunen zu können und natürlich: die Polarlichter zu sehen. Dieser Traum schien mir immer sehr weit weg, bis ich im Oktober für mein Auslandsjahr nach Uppsala gezogen bin. Seitdem habe ich einige liebe Menschen kennengelernt, die diesen Traum mit mir teilten und zusammen entschieden wir uns, das Abenteuer Ende dieses Jahres gemeinsam zu erleben.
Wir buchten den Nachtzug nach Kiruna, der glücklicherweise von Uppsala direkt dahinfuhr. Insgesamt dauerte die Fahrt 14 Stunden, was für mitteleuropäische Verhältnisse mindestens 2 Landesgrenzen beinhaltet hätte… Mich schockiert immer wieder aufs Neue, wie weit sich Schweden von Nord nach Süd erstreckt. Wie auch immer; es gibt viele Möglichkeiten, nach Kiruna zu kommen. Die Stadt hat auch einen Flughafen, daher kann man sie auch ganz bequem von außerhalb Schwedens erreichen.
Samstag
Wir kamen morgens um neun am Bahnhof in Kiruna an und wurden direkt von unseren Tourguides begrüßt. Wir haben eine 3-Tages-Tour bei Taube Activity (https://www.taubeactivity.se/) gebucht, die ich wärmstens empfehlen kann. Die Jungs sind super leidenschaftlich und engagiert, erzählen viel Spannendes über Lappland und sorgen dafür, dass ihr auch bei -20° C die beste Zeit habt.
Wir wurden via Taxi zu einer Hütte am Rande des Waldes gefahren, wo wir dann mit Schneehosen und Schneestiefeln ausgestattet wurden. Von dort aus ging es mit dem Schneemobil weiter zum Camp. Jeder durfte abwechselnd fahren, während der Rest der Gruppe auf dem Schlitten saß. Wir hatten jede Menge Spaß, zumal der erste Tag nicht zu kalt war. Wir waren schon fast am Ende angelangt, als dann ein Fluss erschien; und wir stiegen um in ein Gummiboot. Ich war zwar etwas verängstigt, aber es war letztendlich halb so wild. Endlich am Camp angekommen, gab es erstmal Lebkuchen, Kaffee und Glögg – das schwedische Analogon zu Glühwein. Wir haben unsere Füße vor dem Kamin aufgewärmt und waren gespannt zu sehen, wie unsere Hütte aussieht. Es war wie in einem Märchen: Eine traditionelle Sami Hütte aus Erde und Holz, isoliert mit Elchfell. Wir bezogen unsere Hütte und machten direkt unsere erste kleine Wanderung durch den Wald. Die Natur war so atemberaubend, ein halber Meter Neuschnee und weit und breit keine Spur menschlichen Tuns. Der Fluss, der am Camp vorbeifließt, gab der sonst gefrorenen Landschaft etwas Dynamik. Nach dem Spaziergang aßen wir Elchsuppe. Nach der Stärkung mussten Aufgaben rund ums Camp erledigt werden, wie Holz hacken und Trinkwasser vom Fluss holen – das Camp ist entfernt von jeglicher Zivilisation, Elektrizität gab es nur begrenzt; man ist also auf ein paar gute Powerbanks angewiesen.



Unser Abendessen gab es in der Grillhütte, wo wir alle gemeinsam ums Feuer saßen, und Würste, Halloumi und Gemüse anbrieten. Es war eine herrliche Atmosphäre.
Mit dem gehackten Holz heizten wir auch die Sauna für den Abend vor, die direkt am Wasser steht, sodass man zwischen den Saunagängen ein kurzes Eisbad nehmen konnte. Für mich war es definitiv ein Punkt auf der Bucketlist, über dem nördlichen Polarkreis ein Eisbad im See zu nehmen. Zuerst ging ich nur kurz hinein, bis ich dann bei dem 3. oder 4. Gang so viel Freude daran hatte, dass ich selbst nach 50 Sekunden kaum aus dem Wasser kommen wollte. Da mein Körper von der Sauna sehr aufgeheizt war, ist das Eisbaden nicht so schlimm gewesen, wie ich es erwartet hatte.


Sonntag
Nach dem Sauna-Abend habe ich geschlafen, wie ein Baby und bin bis zum nächsten Morgen gar nicht aufgewacht. Nach dem Frühstück haben wir uns warm eingepackt und Schneeschuhe übergezogen, es ging los zu einer längeren Waldwanderung. Wir liefen wie Gänse hintereinander am Fluss entlang und waren beim Anblick der schönen Landschaft nach wie vor erstaunt. Wir wollten kurz die gegenüberliegende Seite des Flusses bewundern, als plötzlich ein Elch erschien! Er aß ganz ungestört und sah nach einer Weile zu uns herüber. Es ist so ein besonderes Gefühl, die Tierwelt so hautnah erleben zu können.
Nach unserem Spaziergang aßen wir ganz traditionell Palt, eine Art Kartoffelteigkloß, mit Preiselbeermarmelade.
Als die Dunkelheit bereits einbrach, wurden wir mit Stirnlampen ausgestattet und durften uns ans Ski Langlaufen versuchen. Für mich war es das erste Mal und ich weiß nicht, ob es am mangelnden Talent oder am fehlenden Tageslicht lag, aber ich fiel alle zehn Meter um. Daher wird Langlauf wahrscheinlich nie mein Sport werden, aber wer es mag, wird es genießen!
Nach den Aktivitäten wurden Köttbullar mit Kartoffelbrei zum Abendessen serviert, wieder einmal typisch schwedisch.
Den Abend verbrachten wir wie gewohnt mit Holz hacken und Saunagängen; es war schön, kleine Routinen zu entwickeln. Alles lief normal, bis wir dann Rufe hörten: „Auroraaa!“ Und da waren sie: Die lang ersehnten Nordlichter. Die ersten, die ich in meinem Leben sah. Es war unfassbar magisch, ich werde diesen Moment nie vergessen. Die darauffolgenden Stunden entwickelten sich die Lichter immer wieder und wir hatten ein atemberaubendes Spektakel.


Montag
Am letzten Morgen im Camp wachten wir zu einer anderen Lichterscheinung auf: Eine Lichtsäule am Horizont. Diese kommen meistens vor, wenn die Sonne am Horizont steht, so wie an diesem Morgen bei Sonnenaufgang. Wobei man sagen muss, dass die Sonne während des Tages nie wirklich höher stand, weil wir uns bereits in der Polarnacht befanden. Es fühlte sich also an, als wäre es Sonnenauf- und -untergang in einem, ganze 5 Stunden lang.
An unserem letzten Tag zeigte unser Tourguide uns, wie man Eisfischen praktiziert. Wir bohrten kleine Löcher in den See, setzten und auf Rentierfell und los ging es. Da wir uns nicht viel bewegt haben, wurde es bei den -20° C schnell kalt. Gefangen haben wir leider nichts, hatten aber trotzdem jede Menge Spaß! Wir wärmten uns kurz auf, packten zusammen und machten uns auf den Weg zum Gummiboot. Nach der Schneemobiltour zurück wurden wir zu unserem Chalet für die Nacht gefahren. Chalets sind geläufig in Kiruna, unsere war sogar mit einer Sauna ausgestattet. Nach drei Tagen ohne Duschmöglichkeit nahm jeder von uns eine ausgiebige Dusche. Am Abend kochten wir zusammen und schmissen die Sauna an. Wieder einmal hörte ich „Auroraaa!“ und war mir fast sicher, dass die Nordlichter sich immer genau den Zeitpunkt aussuchen, wenn ich in der Sauna sitze. Wie auch immer, ich zog schnell meinen Mantel an, rannte hinaus und sah einen grün erleuchteten Himmel. Noch viel stärker als die Nacht zuvor! Ich bin so unfassbar dankbar für das Glück, das wir hatten. Es ist nämlich absolut nicht garantiert, die Lichter zu sehen, wenn man dort ist.



Dienstag
Unser letzter Tag in Lappland war für ein bisschen Sightseeing gedacht, also machten wir uns nach dem Frühstück auf den Weg zur Eisenerzgrube. Das Bergwerk liegt südwestlich von Kiruna und die Aussichtsplattform bietet Besuchern eine gute Aussicht auf die Grube. Von dort aus war die Kirche der Stadt nur ein paar Minuten entfernt, also machten wir auch dort einen Abstecher. Die Architektur gefiel mir besonders gut.
Wir wärmten uns in einem Café auf und nahmen den Bus nach Jukkasjärvi, um das ICEHOTEL zu besuchen. Wer im Hotel übernachten möchte, muss eine ordentliche Summe zahlen, aber man kann das Hotel auch tagsüber als Besucher besichtigen; das kostet je nach Saison und Altersgruppe 20-30€. Das gesamte Hotel ist besteht aus Eis und es wird jedes Jahr neu gebaut. Jeder Raum hat ein eigenes Thema und wird jeweils von unterschiedlichen Künstlern gestaltet. An der Eisbar kann man außerdem eine kleine Erfrischung bekommen.
Am Abend stiegen wir dann auch schon in den Nachtzug zurück nach Uppsala. Diese Reise war voller Überraschungen und ich kam mit einer gratis Erkältung nach Hause, aber sie war dennoch unvergesslich und wundervoll! Wenn ihr die Möglichkeit habt, besucht Lappland! Ihr werdet es nicht bereuen.

