Eine Last, die mich nun schon seit ein paar Jahren durch mein Leben begleitet, sind Panikattacken. Diejenigen, die mir schon länger auf Instagram folgen, wissen das auch und da mich viele Fragen darüber erreichen, wie und weshalb meine Angststörung entstanden ist und wie ich versuche, sie zu bewältigen, dachte ich, schreibe ich all meine Gedanken und Tipps zu diesem Thema nieder- in der Hoffnung, dass es Mit-Betroffenen weiterhilft.

Die Anfänge
Da jedes Problem -ebenso auch meines- einen Urspung hat, beginne ich hiermit. Von klein auf habe ich stark ausgeprägte Verlustängste. Meine erste Erinnerung stammt noch aus Kindergarten-Zeiten: Jeden Morgen, als mich meine Mutter in den Kindergarten brachte, weinte ich bitterlich, bis ich dann letztendlich erbrechen musste. Es klingt zwar unglaublich, dennoch lief das ganze drei Jahre lang jeden Tag gleichermaßen ab. Die Erzieherin wartete morgens schon mit einem Wischmop bewaffnet auf der Flur. Ich befürchtete von Tag zu Tag, dass ich nicht abgeholt werde und sollte diese Angst noch lange mit mir tragen. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, dass ich im Grundschulalter nachts nicht einschlafen konnte, weil ich mir ausmalte, dass meine Eltern, die meistens noch unten in der Küche lange Gespräche führten, nicht in Sicherheit waren. Deshalb setzte ich mich, nachdem sie mich schlafen gelegt hatten, zurück auf die oberste Treppenstufe und wartete so lange, bis sie später ebenfalls zum Schlafen hochkamen. Ich weiß nicht genau, weshalb ich eine derartige Furcht entwickelt hatte, schließlich hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt eine sehr glückliche Kindheit, eine liebende Familie und nichts Tragisches, was mir widerfahren wäre. Die Zeit verging und ich verschwendete kaum einen Gedanken an diese alte Zeit. Ich war mittlerweile eine glückliche, aufgeschlossene Teenagerin geworden und hatte keine größeren Sorgen- die Pubertät hat schon gereicht. Anfang 2017 sollten die Dinge allerdings eine entscheidende Wendung nehmen. Meine Eltern stritten sich mit zunehmender Häufigkeit, was mich sehr belastete. Auch, wenn ich denke, dass sie sich sicherlich bemühten, meinen Bruder und mich vor diesen Konflikten zu schützen, machte ich mir sehr große Sorgen. Im Laufe des Jahres verlor ich meine Aufgeschlossenheit, wurde magersüchtig und hatte panische Angst davor, dass sich meine Eltern eines Tages trennen würden. Anfang 2018 entschied sich meine Mutter dazu, uns zu verlassen und zog schließlich alleine in eine eigene Wohnung. Nun war ich psychisch, wie auch physisch in einem miserablen Zustand angekommen und suchte nach langem Überlegen nach professioneller Hilfe, da ich das Gefühl hatte, die Kontrolle über meine Gedanken nicht mehr zu besitzen. Meinem damaligen Psychologen erzählte ich schließlich alles: von nächtlichen Illusionen über Zwangsverhalten (ich trank jeden Tag 5l Wasser, bis meine Beine angeschwollen sind) bis hin zur Angst, jegliche Menschen aus meinem Umfeld zu verlieren. Es war das beste, was ich hätte tun können- er half mir unglaublich viel und dafür bin ich ihm mein Leben lang dankbar. Nur: ich war nicht geduldig genug und meinte, ich wäre nicht mehr auf externe Hilfe angewiesen.

Die Rückschläge- meine erste Panikattacke
Im Herbst des selben Jahres erreichte mich der erste Rückschlag- ausgerechnet auf der Oberstufenfahrt in Frankreich. Meine erste größere Panikattacke- in einem Bus mitten auf der Autobahn. Es war eine ziemlich unangenehme Situation, zumal ich so etwas vorher nicht erlebt habe. Von einer Sekunde auf die andere schlug meine Stimmung von ganz normal zu panisch um, begleitet von einer erschreckenden Atemnot und wahnsinnig schnellem und starkem Herzschlag. Es war und ist ein Gefühl, als würde man gleichzeitig gejagt und gefesselt werden. Als würde man aus seinem eigenen Kopf flüchten wollen- aber der Platz wird immer enger.
Weitere Rückschläge folgten, immer mit kürzeren oder längeren Abständen. Meistens erlebte ich diese plötzlichen Attacken zu Hause. Es kam aber auch im Urlaub, in der U-Bahn, bei meinen Großeltern oder –und das war am beängstigendsten- auf offener Straße vor. Vor ein paar Monaten lief ich gemütlich in der Stadt herum und im selben Moment hatte ich die Kontrolle verloren- ich konnte kaum atmen, war völlig hilflos. Meine Ängste haben mich also wieder eingeholt- diesmal nicht als Zwangsneurosen, sondern in Form von Panikattacken.

Panikattacken- und nun? Mein alltäglicher Umgang mit der Angststörung
Ob man will oder nicht, man muss für sich einen gewissen Umgang mit seinen Panikattacken entwickeln. Eine solche Routine kann sehr hilfreich dabei sein, sich so schnell wie möglich wieder beruhigen und die gesamte Situation gut unter Kontrolle haben zu können. Auch, wenn die Panik sehr unerwartet und abrupt auf einen einschlägt, fühlt man sich weniger unbeholfen, wenn man der ganzen Sache einen gewohnten Ablauf gibt- bis man sie schließlich überwunden hat. Meine Routine sieht folgendermaßen aus: Ich setze mich und schließe meine Augen. Ich stelle mir ein für mich friedliches und beruhigendes Erlebnis vor. Dies kann ein schöner Spaziergang am Strand sein, ein Lagerfeuer an einem lauwarmen Sommerabend oder oder oder… Seid kreativ! Am besten entscheidet ihr euch für etwas, womit ihr persönliche Erinnerungen verbindet- das bringt euch am schnellsten auf andere Gedanken. Zudem achte ich immer auf meine Atemzüge. Damit ich mich nicht in meine Panik hineinsteigere, versuche ich, beim Ein- und Ausatmen langsam bis drei zu zählen. Das mache ich dann jeweils so lange, bis ich mich wieder von dem Schock erholt habe.
Zudem habe ich Yoga und Meditation für mich entdeckt. Die beiden Sachen mache ich unabhängig davon, ob ich gerade eine Panikattacke hatte oder nicht. So esoterisch es auch klingen mag, es hilft mir, meine innere Stimme zu hören. Es muss gar nicht viel sein- mir reichen schon 5 Minuten am Tag, in denen ich komplett auf mich selbst und meine Gedanken fokussiert bin.
Obwohl sich diese Routine mittlerweile in mein Leben integriert hat, war ich nicht glücklich damit, dass mich meine Panikattacken von Zeit zu Zeit belasten. Es ist kein schönes Gefühl zu wissen, dass sie – egal ob man gerade einen guten oder schlechten Tag hat- einen immer einholen können. Gerade, wenn man nicht mehr in der Lage ist, einen unbeschwerten Alltag zu führen, sollte man in Erwägung ziehen, professionelle Hilfe anzunehmen. Ich muss zugeben, ich habe anfangs einige Monate hin- und her-überlegt, ob ich eine Therapie anfangen soll. Nun befinde ich mich schon in meiner zweiten. (Ja, vor dieser hatte ich auch ziemlich lange Respekt.) Mit der Zeit lernt man, dass es keine Schande ist, Hilfe anzunehmen; es ist sogar ein Zeichen der Stärke, wenn man nicht leugnet, womit man zu kämpfen hat. Je früher man erkennt, dass ein Leben ohne Panikattacken auch möglich ist, umso schneller bewältigt man diese Herausforderung, denn man ist viel stärker, als man denkt. Ein ungeklärtes Problem lange mit sich herumzutragen, kann sehr belastend sein. Das lange `In-sich-Hineinfressen` verschlimmert die Lage nur noch. Werdet euch euren Ängsten bewusst und bekämpft sie-ihr seid viel stärker als ihr denkt.
Panikattacken sind ein häufiges Problem in unserer Gesellschaft- die meisten sehen das leider immer noch als ein Tabu-Thema an, was es für Betroffene nicht unbedingt leichter macht. Aber: Genau wie eine `ganz normale` Krankheit, ist eine psychische Krankheit auch nichts, wofür man sich schämen sollte. Genau so, wie wenn wir bei Grippesymptomen einen Arzt aufsuchen, können wir das also auch bei psychischen Problemen tun, wenn sie uns eine Zeit lang belasten.
Durch meine Techniken ergänzend zur Therapie ist es mir mittlerweile gelungen, die Panikattacken einzuschränken. Wenn ich lang genug am Ball bleibe, wird es sicherlich einfacher sein, sie endgültig zu bekämpfen. Ihr seid keineswegs allein mit dieser Belastung! Man muss sich nur seinen Ängsten stellen und sie an der Wurzel packen. Und das kann jeder schaffen!
Xx, Lili